Grüezi und herzlich Willkommen
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Ich nehme Sie mit auf eine Reise….
14. Kapitel: Sternenkind oder Katzenlicht? Winter 2007
Schreiben war schon immer etwas Leichtes für mich. Meine Gedanken, meine Wünsche, das Erlebte zu Buche zu führen, damit hatte ich nie Schwierigkeiten. Als ich noch zur Schule ging, gabs die Pflichtfächer Diktate und Aufsätze schreiben. Pflichtfächer, welche ich ohne Schwierigkeiten meine Bestnoten abholte. Heute sehe ich es in einer meiner Töchter wieder. Ich sehe vieles in Ihr. Die gleiche Hartnäckigkeit, der gleiche selbstsichere Optimismus. Es gab nie, geht nicht! Ich konnte mich für so Vieles begeistern! Nahm ich etwas an, nahm es in meine Hände, dann konnte ich ganze Berge versetzen.
*Mom, wenn Du schon mal in Rom bist, geh und sieh es Dir an. Du musst ja nicht permanent am Country Catalan Festival mit dabei sein. Ihr könnt Euch auch mal ausklinken und Rom besichtigen. Mom! Rom!...*
*Wie sollen wir das den anstellen? Einfach so durch Rom tuckern?*
*Warum nicht? Was hindert Euch daran?*
*Die Sprache meine Liebe, die Orts- und Stadtkenntnisse… und vielleicht das Alter, dass uns nicht mehr so jugendlich mutig und optimistisch macht* dachte ich mir und wieder sah ich es. Das, so wie ich damals auch war. Ich hatte eine Fantasie, eine Kreativität, so leidenschaftlich unzähmbar. Heute ist diese Kreativität nicht mehr ganz so wagemutig. Nicht mehr ganz so leidenschaftlich. Aber sie brennt noch immer und ja sie kann noch immer ganz schön entfachen.
Damals als unsere Zucht in etwa im siebten oder achten Zuchtjahr war, schrieb ich über das Zuchtgeschehen. Doch Andreas riet mir, nur die schönen Sachen, das Positive zu erwähnen. Welche Verluste, welche Aengste und Sorgen wir manchmal auch hatten, darüber sollte ich nicht berichten. *Warum nicht? Es gehört doch mit dazu! Es ist unsere Zucht, es sind wir.*
*Da hast Du recht, doch will dies jemand lesen? Wohl kaum. Der Mensch will nur das Schöne und Gute sehen. Schau Dich an! Willst Du die trüben, schlechten Nachrichten jeden Tag im TV sehen? Oder hören?*
*Nein!*
*Siehst Du! Darum lass es!*
Also begann ich zu berichten, aus der Zucht, dem Hause A-Riverway. Ich berichtete immer wahrheitsgetreu, aber nicht immer alles. Und wie es sich gerade in der jüngsten Zeit zeigte, war es wohl auch richtig so. Schrieb mir ein Katzenbesitzer die Nachricht, nicht schlechte und betrübte Sachen zu berichten. Das würde niemand lesen wollen. Ich solle doch berichten, wie schön bei uns alles war. War es das?
Wir kämpften in unserer Zucht auch mit unerwarteten Verlusten. Wir kämpften auch gegen Krankheiten oder gegen Parasiten wie Giardien. Wir hatten auch Geburtsfehler in den Würfen, die abgeklärt ergaben, ob es Linien bedingt war oder weil die Natur so entschieden hatte. Wir kämpften manchmal um das Ueberleben der Babys oder um Erwachsene, die einen Unfall erlitten, wie z.Bsp Vali, als der Blitz die Dachziegel in den Katzengarten schleuderte und dabei Vali verletzte. Wir kämpften manchmal ums nackte Ueberleben, weil die eine Untersuchung uns all die Ersparnisse wegriss, um sogleich die andere Untersuchung nicht wissend, ob wir sie machen lassen und somit berappen konnten oder nicht. Wir kämpften gegen die Zeit, weil wir sahen, wie uns im Zeitraffer das Leben entrissen wurde. Auch wir, der A-Riverway, kämpfte in all den Jahren, so wie alle anderen Zuchten auch! Nur ich durfte nicht erzählen. Weil es sich nicht gehörte. Doch Züchten heisst nicht nur das Schöne zu entdecken, zu erleben, es heisst auch, die Durststrecke, den Tunnel zu passieren und niemals loszulassen. Nie! Niemals aufgeben. Denn als Züchter arbeiten wir mit lebenden Wesen, die es verdienen, dass wir ihr Vertrauen niemals missbrauchen oder missachten. Lebende Wesen, deren Verantwortung wir tragen. Sie hegen und pflegen, nach unserem besten Wissen und Gewissen. Züchten ist so viel mehr, als nur Babys haben!!
Ich diskutierte mit hochgebildeten Personen, Fachkompetenten Personen und manchmal stritt ich mich auch mit Professoren oder Tierärzten und Laboranten. Ich erklärte Tierärzten was unserem Schützling fehlte, um vor die Tür gestellt zu werden, weil ich nicht die nötige Fachkompetenz hatte, um wenig später (mir) ein Untersuchungsergebnis vorzulegen, dass genau das belegte, was ich behauptete. Ich stritt mich aber auch mit Andreas, weil mir die Zeit davonlief und ich Angst hatte. Doch im Endeffekt war alles für mich in Ordnung, wenn wir es schafften, diese Durststrecke, diesen dunklen Tunnelweg zu beenden. Egal wo, egal wann und wie er begann. Hauptsache wir schafften es immer wieder in gewohnte, ruhige, gesunde Bahnen zu gelangen.
Doch Du, Du warst eines von diesen Wesen, bei denen ich keine Chance hatte! Was blieb uns beiden? Wieviel Zeit hatten wir Zwei? Drei Monate? Du wurdest kein Jahr alt und wir kannten uns kaum. Aber ich hatte keine Chance. Ich musste Dich ziehen lassen. Noch nie hatte ich ein solch junges Leben auf seinem letzten Weg begleitet. Eigentlich noch ein Kind – ein Katzenkind und doch schon im Teenageralter. Es war ein unglaublicher Tiefschlag, der mich tief im Inneren durchrüttelte. Ich habe damals niemandem davon berichtet, ich konnte nicht, traute mich nicht. Dein Weggang, Dein Verlust war für mich ein Versagen. Ich fühlte mich schuldig, hatte ich versagt? Ich grämte mich, schämte mich, weil ich Dich nicht retten konnte. Bis heute habe ich es kaum je jemandem erzählt und ich habe nur wage Erinnerungen an Dich. Ich musste Dich tief in meinem Herzen begraben, nur so konnte ich den Weg der Zucht weitergehen. Doch glaube mir, Dich in meinen Armen gehen zu lassen, Dich ziehen zu sehen, war alles andere als leicht und ich fragte mich zum ersten Mal: *Ist es das wert? Wert zu züchten?
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Lux Felina Nubilus. Du warst ein anhänglicher, liebenswürdiger, schöner Katermann und hast uns gerne zum Lachen gebracht. Heute frage ich mich, warst Du ein kleiner Engel? Oder ein Licht, dass wie eine Sternschnuppe, ein glühender Kuss am Sternenhimmel verglühte?
Damals tauchte praktisch aus dem Nichts eine italienische Zucht auf. Sie war sozusagen ein *Ueberflieger* in der Zuchtwelt. Die Zucht stammte aus Norditalien und hatte aus der dänischen sehr berühmten Zucht: La Foret einen Buben. Dieser Bube gewann im Jahre 2007 den Welttitel und somit gab es für die Zuchtwelt, gerade in unserer Gegend kein Halten mehr. Wo oder wann hatte man schon einen Weltsieger in der Nähe? So auch für mich. Ich beobachtete diese Zucht, doch viele Informationen konnte ich nicht ausfindig machen. Die Züchter selbst waren eher zurückhaltend, aber nicht unfreundlich. Dieser Kater: La Foret’s Jakarta war bald in aller Munde und wo er auftauchte, gewann er alles. Böse Zungen begannen zu behaupten, dass seine Vorfahren an der Herzkrankheit HCM erkrankten. Doch belegt werden konnte es nie! Natürlich beobachtete ich ihn. Ich kannte die Linien sehr wohl und wusste was in ihm steckte. Ich wusste genau, wie er unsere Zuchtmädchen ergänzen konnte. Doch sollte ich es wagen? Vorsichtig und langsam tastete ich mich über eine andere Zucht vor, die im Grunde auch nicht viel wusste. Da aber eine Deckung über diese Zucht lief, wusste man doch etwas mehr über die Vererbbarkeit und was man mir berichtete klang vielversprechend. So fasste ich allen Mut und fragte an.
Heute erinnere ich mich nur noch daran, dass wir Dich auf einem Parkplatz in Norditalien entgegennehmen durften. Die Zucht habe ich nie gesehen. Ein Fehler? Immer und immer wieder rate ich den Interessenten, jeder Anfrage, jedem künftigen Besitzer, die Zucht zu besuchen. Aber ich gestehe, ich habe Dein Daheim nie gesehen. Die Abwicklung verlief normal und ohne grosse Probleme. Alles, was ich dann noch weiss, auf der Heimfahrt begannst Du zu schnupfen. Und es hörte nicht mehr auf. Doch das drückende, flaue Magengefühl, dass sich leise und sachte in meinem Magen ausbreitete, sollte nicht von dem herrühren. Es war wohl eine Vorahnung, die sich leise bemerkbar machte und ich nicht wahrnehmen wollte, aber auch nicht konnte. Denn es war bereits zu spät! Ich erinnere mich daran, wie wir Dich separiert hielten und nach dem Reisewochenende beim Tierarzt vorstellig wurden. Der wiederum diagnostizierte eine leichte Erkältung. Du wurdest behandelt und innert 10 Tagen war es in Ordnung und Du schienst gesund.
Ueber das Eingliedern, das Einleben in unserer Katzenfamilie habe ich keine besondere Erinnerung. Nubilus war im Wesen sehr sozial und liebevoll. Er war bescheiden, nicht aufdringlich und lies sich leicht eingliedern. Wir waren mit ihm auf einer Ausstellung in der Kittenkategorie. Da zeigte er uns seine spassige Seite. Alles schien reibungslos zu verlaufen und wir freuten uns auf einen vielversprechenden Zuchtbuben. Doch noch sollte Nubilus erst mal seine Kindheit geniessen. Eine Kindheit, die viel zu kurz war. Du konntest Deinen 1. Geburtstag nicht feiern.
Ich stand in diesem kalten, fast sterilen Raum. Du sasst halb liegend, mit geschlossenen Augen in meinen Armen. Vor wenigen Minuten zuvor hast Du geschrien. Der Schmerz war unbändig. Du konntest plötzlich keinen Urin mehr ablassen. Der Tierarzt erklärte uns, dass die Ursache Blasen- oder Nierensteine seien und wir zu einer Operation gezwungen waren. Es sollte keine grosse Sache sein und Nubilus würde sich gut erholen. Bei der Operation kam jedoch zum Vorschein, dass die Nierensteine von beiden Sorten waren und relativ massiv: Struvit und Oxilat. Wir konnten ihn nicht mit Spezialfutter oder Spezialdiät ernähren. Das Hoffen gaben wir nie auf, doch dieses leise Gefühl, es war da und ich wusste im Grunde, dass es viel erhofft war….
Die Operation gab uns genau 30 Tage mehr Zeit. Zeit um wieder in diesem kalten, fast sterilen Raum zu stehen, zu warten. Dich in meinen Armen. Die kommende Untersuchung ergab, dass die Chancen auf eine Heilung gleich Null waren. Wir konnten zwar eine zweite Operation durchführen, doch mehr als 14 Tage sollten uns nicht geschenkt werden. Die Nierensteine waren mehr und grösser da. *Frau Gort, es tut mir leid, aber eine zweite OP ist hier völlig sinnlos. Er schafft es nicht, nicht so. Sie würden ihn nur leiden lassen…. Ich lasse Sie jetzt alleine, nehmen Sie sich die Zeit.* Worte, sie hallten, verklangen und es war still. Ich sah diese Augen, seine Augen und was sich in meinem Gehirn abspielte, war eine Woge unbeschreiblicher Gefühle. Ich war nicht bereit, ich war hoffnungslos, ich wurde wütend, ich stagnierte, verlor diesen inneren Halt, wollte angreifen, wusste nicht wie, noch wen und alles was war, war diese Stille, in einem kalten, fast sterilen Raum. Ich wärmte Dich so gut ich konnte, hielt Dich umfangen in meinen Armen, lies Dich nicht los und wusste, ich muss!
Noch nie musste ich einen solchen Weg mit einem jungen Leben gehen. Diese Hoffnungslosigkeit schlug in blanke Wut um. Doch gegen wen sollte ich sie wenden? Gegen Dich? Andreas? Unseren Tierarzt? Die Züchter? Oder letztendlich doch gegen mich? War es Karma? Weil ich hoch hinauswollte? Um jeden Preis?
Wir gingen den Weg mit Nubilus, einen Weg, der so, einfach nicht sein sollte. Doch das Leben hält sich nicht an unsere Drehbücher, es hat sein eigenes. Nubilus schlief in meinen Armen ein. Ich sah, wie der Hauch des Lebens, seinen Körper verlies und loszog. Fragen gab es keine. Ich hatte verloren. Ich fühlte mich unglaublich schuldig, hatte verloren, konnte ein solch junges Leben nicht retten. Immer und immer fragte ich mich, was ich anders hätte tun können. Hätte ich helfen können? Hätten wir Dich retten können? Doch unser Tierarzt zeigte uns auf, dass es unausweichlich war. Ich musste lernen, damit zu leben. Es war ein Augenblick, der mich zum Nachdenken brachte. War das züchten? Wollte ich das? War es das wert? Heute kann ich sagen, das ist züchten! Als Züchter erlebt man nicht nur Geburten, Leben, das wächst, gedeiht. Als Züchter muss man auch lernen das grosse Universum zu akzeptieren. Manche Wesen kommen für einen Flügelschlag auf diese Welt, sei es ein Mensch oder sei es ein Tier. Sie kommen und sie gehen. Andere Wesen verweilen ein bisschen, um uns dann Lebewohl zu sagen und andere bleiben für eine längere Weile, weil sie uns begegnen, lernen oder begleiten wollen und manchmal zahlt man als Züchter einen unglaublich hohen Preis. Nicht nur finanziell, sondern vor allem gefühlsmässig. Nubilus Zucht hatte die Nachricht aufgenommen, war bestürzt und der Kontakt brach ab. Warum auch immer. Doch wie auch immer, Nubilus bleibt ein Teil vom A-Riverway. Auch wenn keine Nachkommen durch ihn weiterleben, so hat er uns, mich in jeder Hinsicht bereichert und irgendwann mein grosser Spassvogel, heitern wir einander wieder auf.
Der damalige Tierarzt arbeitet noch heute. Seine Praxis ist neu in meiner Wohngegend und er erinnert sich genauso wie wir alle. Doch mein Weg ging weiter, weil wir nie aufgeben. Nie! Denn wir gehen diesen Weg. Einen Weg im Sonnenschein und manchmal auch in der Dunkelheit. Weil dennoch ein jedes Wesen es wert ist.
*Besucht Ihr nun Rom?* Fragte mich meine Tochter.
*Erst wollen wir mal sehen, wie wir nach Italien reisen und dann sehen wir weiter* Antwortete ich. Zufall? oder Schicksal, dass ich noch nie in Rom war? Noch nie in Mailand und gerade jetzt diese Reise plane? Eine Reise mit einem völlig anderen Ziel und doch, gerade jetzt sitzt in meinen Gedanken ein kleiner Italiener, sein Fell tief blau, vor meinem inneren Auge. Diese Augen betrachten mich neugierig, aufmerksam und freundlich.....
Und nächstes Mal geht diese Reise weiter.
Herzlichst
Ihr
A-Riverway